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Verfasst am 01.10.2013 um 15:00 Uhr

Vertragspflicht zur Bewirtschaftung des Kleingartens


Klaus Kuhnigk

Es ist für Kleingärtner eine Selbstverständlichkeit, dass sie während des bestehenden Vertragsverhältnisses ihren Kleingarten bewirtschaften. Es gehört darüber hinaus zum Allgemeingut, dass es sich um eine Pflicht zur Bewirtschaftung handelt und dass ein Verstoß gegen diese Verpflichtung zur Kündigung des Unterpachtvertrages
führen kann. (§ 9Abs. 1 Nr. 1 BKleingG).


Ebenso selbstverständlich war bisher die Auffassung, dass die Verpflichtung zur Bewirtschaftung mit der wirksamen Beendigung des Unterpachtvertrages endete und zwischen den bisherigen Vertragspartnern nur noch Pflichten zur Abwicklung des Unterpachtvertrages bestehen. Deshalb wurden vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Bewirtschaftungsverpflichtung des Kleingärtners über das rechtliche Ende des Unterpachtvertrages hinaus begründen
wollten, als unzulässig angesehen, weil sie den Kleingärtner gemäß § 307 Abs. 1 BGB unangemessen beteiligen würden.


Dieser Auffassung hat der Bundesgerichtshof (Urteil v. 21.2.2013, III ZR 266/12) nunmehr eine Absage erteilt und festgestellt, dass ein Unterpächter in einem (Formular-)Kleingartenpachtvertrag wirksam für den Fall, dass kein Nachpächter vorhanden ist, verpflichtet werden kann, den Kleingarten bis zur Neuverpachtung unter Fortzahlung der vereinbarten Entgelte und Gebühren zu bewirtschaften.


Der Fall

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte sich der Unterpächter, der Baulichkeiten und Anpflanzungen vom früheren Unterpächter gegen Zahlung eines Entgelts übernommen hatte, im Unterpachtvertrag verpflichtet, den Garten bis zur Neuverpachtung kleingärtnerisch zu bewirtschaften, die vereinbarten Entgelte zu zahlen und sonstige Leistung zu erbringen, wenn kein Nachpächter vorhanden ist. Für den Fall, dass der Unterpächter

dies nicht wünschte, wurde er vertraglich verpflichtet, die Baulichkeiten und Anpflanzungen zu entfernen und den Kleingarten im umgegrabenen Zustand zu übergeben. 


Nach dem rechtlichen Ende des Unterpachtvertrages hatte der Unterpächter den Kleingarten an den Kleingartenverband zurückgegeben, obwohl kein Nachpächter vorhanden war. Die Entfernung der Baulichkeiten und Anpflanzungen hatte er nicht vorgenommen und sich gegenüber dem Kleingartenverband darauf berufen, dass die vertraglichen Regelungen unwirksam seien. 


Der Kleingärtner war mit seiner Rechtsauffassung gegenüber dem Amtsgericht und gegenüber dem Landgericht als Berufungsgericht erfolgreich, da die beiden Vorinstanzen der bisherigen allgemeinen Meinung gefolgt waren und die Bewirtschaftungsverpflichtung als unwirksam ansahen. Aufgrund der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wurde nunmehr die Wirksamkeit der gesamten Vertragsklausel festgestellt.


Grundlage der Entscheidung
Der BGH hat in seiner Entscheidung zunächst darauf verwiesen, dass der Kleingärtner in dem entschiedenen Fall Eigentümer der vorhandenen Baulichkeiten und Anpflanzungen war, da er diese gegen Zahlung eines Entgelts vom früheren Kleingärtner übernommen hatte. Aufgrund dieser Sachlage darf ein Verpächter bei Beendigung des Pachtvertrages grundsätzlich die Entfernung dieser Sachen verlangen. Dieser Beseitigungsanspruch ist Bestandteil des Räumungsanspruchs (§ 4 Abs. 1 BKleingG i. V. m. §§ 581 Abs. 1, 546 Abs. 1 BGB). Es kommt nicht darauf an, ob die Baulichkeiten und Anpflanzungen der kleingärtnerischen Nutzung dienen oder nicht, da § 596 Abs. 1 BGB nicht zu beachten ist. Denn § 4 Abs. 1 BKleingG verweist nicht auf die Bestimmungen über den Landpachtvertrag (§§ 585-597 BGB). Die im Vertrag vorgesehene Verpflichtung,
den Kleingarten ohne bauliche Anlagen und Anpflanzungen im umgegrabenen Zustand zurückzugeben, stellt damit keine erhebliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen dar.


Die weitergehende Verpflichtung des Kleingärtners zur Bewirtschaftung des Kleingartens sowie zur Fortzahlung der vereinbarten Entgelte im Falle des Fehlens eines Nachpächters entspricht den berechtigten Interessen beider Vertragsteile. Der BGH betont in seiner Entscheidung, dass kein Kleingärtner darauf vertrauen darf, dass sein Kleingarten nach Beendigung des Unterpachtvertrages auf Kosten der Gemeinschaft der
in der Anlage verbliebenen Kleingartenpächter ordnungsgemäß weiterbewirtschaftet wird oder die darauf befindlichen Sachen auf Kosten der Gemeinschaft entfernt werden, um eine Verwilderung des Kleingartens abzuwenden.


Die vollständige Beräumung des Kleingartens würde nämlich nicht nur für den Kleingärtner, sondern auch für den Kleingartenverband eine erhebliche Belastung darstellen. Das Kostenfreihaltungsinteresse des Unterpächters überwiegt jedoch nicht das wirtschaftliche Interesse des
Kleingartenverbands. 


Auf Seiten des Kleingartenverbands ist zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen nur eine geringe oder gar keine Nachfrage nach Kleingartengrundstücken besteht, der Kleingartenverband in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sein kann, wenn er seinerseits trotz
geringer eigener, ihm verbleibender Einnahmen, die Kosten für die kleingärtnerische Weiterbewirtschaftung oder die vollständige
Beräumung der von den Kleingärtnern gekündigten Parzellen trage.


Im Rahmen der Interessenabwägung ist nicht entscheidend, ob der Unterpächter die baulichen Anlagen und Anpflanzungen selbst eingebracht oder gegen Zahlung eines Entgelts vom früheren Unterpächter übernommen hat. Das mit der Beseitigung der Sachen verbundene wirtschaftliche Opfer ist in beiden Fällen gleich. Das Interesse des kündigenden Kleingärtners wird hinreichend dadurch berücksichtigt, dass die mit der
vollständigen Beräumung des Grundstücks verbundenen Kosten durch Beibringung eines Nachpächters und durch Weiterbewirtschaftung
des Kleingartens abgewendet werden können. 


Ferner hat der BGH dargelegt, dass die vertragliche Regelung zur Weiterbewirtschaftung des Kleingartens kein Kündigungshindernis darstellt, weil die Verpflichtung zur vollständigen Beräumung des Kleingartens Bestandteil des gesetzlichen Räumungsanspruchs ist. Der Kleingärtner hat es daher selbst in der Hand, ob er seiner gesetzlichen Verpflichtung zur vollständigen Beräumung nachkommt, oder den Kleingarten unter
Fortzahlung der vereinbarten Entgelte bewirtschaftet.


Wenn aber zu erwarten ist, dass sich in nicht ferner Zeit ein übernahmewilliger Nachpächter findet, so ist es dem Kleingärtner regelmäßig zumutbar, in der Zwischenzeit für die Weiterbewirtschaftung seines Kleingartens zu sorgen. Sollte dies einem Kleingärtner ausnahmsweise nicht zumutbar sein, so führen derartige Sonder- und Einzelfälle nicht zur Unwirksamkeit der Vertragsklausel. Dem betroffenen Kleingärtner
bliebe dann der Einwand aus § 242 BGB (-unzulässige Rechtsausübung-).


Fazit
Die Entscheidung des BGH wird Auswirkungen auf die Vertragspraxis im Kleingartenwesen haben. Die Kleingartenverbände sind gut beraten, ihre Muster-Unterpachtverträge zu überprüfen und die bestehenden Regelungen gegebenenfalls zu ändern, um zukünftig die wirtschaftlichen Folgen der Nichtverpachtung von Kleingärten zwischen den Kleingärtnern und den Kleingartenverbänden interessengerecht zu verteilen.




Klaus Kuhnigk

Jurist des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e.V., Berliner Gartenfreund 10-2013