Alles, was Recht ist
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Verfasst am 01.03.2013 um 09:00 Uhr

Ein Weg zum Vertragen


Wenn Menschen zusammenkommen, treffen sie sich nicht nur, um zu feiern oder gemeinsame Interessen zu verfolgen. Vielmehr tragen sie auch Konflikte aus. Viele von ihnen können entweder von den Betroffenen selbst gelöst oder auf andere Weise erledigt werden. Einige entwickeln jedoch ein Eigenleben und eskalieren. Beispielhaft sollen aus dem Bereich des Kleingartenwesens folgende Fälle genannt werden: 


– Zwei benachbarte Kleingärtner geraten aufgrund von „lauter Musik“ in Streit und es entsteht eine verbale Auseinandersetzung, die auch vor gegenseitigen Beleidigungen nicht haltmacht. Der Streit wird dann an den Bezirksverband herangetragen. Dieser soll mit rechtlichen Mitteln, die auch eine Kündigung des Unterpachtvertrages beinhalten können, den Streit beenden.


– Ein Unterpächter ist mit einer Wertermittlung nicht einverstanden. Er macht seinem Unmut Luft, und in der Folge kommt es zu einem uferlosen Schriftverkehr zwischen dem Bezirksverband und dem Kleingärtner.


– Ein Kleingärtner hat seine Kleingartenparzelle mit Baulichkeiten bebaut, die größer als 24 Quadratmeter sind. Er wird zur Beseitigung derjenigen Baulichkeiten aufgefordert, die die Fläche von 24 Quadratmeter überschreiten, was dieser jedoch mit Hinweis auf andere Kleingartenparzellen, die Baulichkeiten mit mehr als 24 Quadratmeter aufweisen, zurückweist. Die Fronten sind schnell verhärtet.


In all diesen und in noch vielen weiteren Fäl len steht die Frage im Raum, wie und auf welche Weise die entstandenen Konflikte gelöst werden können.


Gesetze und ihre Grenzen

Die Führung eines gerichtlichen Verfahrens ist die „klassische Konfliktlösung“, wenn ein Streit entsteht. Die Gerichte entscheiden dann, „wer Recht hat“. Allerdings hinterlässt ein derartiges Verfahren Sieger und Verlierer. Ob das Urteil im Einzelfall auch gerecht ist, spielt keine Rolle, da die Gerechtigkeit mit den Mitteln des Prozessrechts und dem materiellen Recht durch den Richter zu finden ist. Dies kann dazu führen, dass ein Beteiligter des Verfahrens selbiges nur deshalb gewinnt, weil er mit den Spielregeln des Rechts besser zurecht kommt als sein Kontrahent. Dies

ist deshalb wichtig zu wissen, weil im deutschen Zivilprozess sowohl die Klägerseite als auch die Beklagtenseite darüber bestimmen, über welchen Streitstoff ein Richter zu befinden hat.


Prozessrisiko

Der Richter selbst darf keine Ermittlungen anstellen oder Ratschläge erteilen. Er muss beiden Parteien unvoreingenommen gegenübertreten und darf nur dasjenige beurteilen, was ihm vorgetragen wird. Durch das Gericht können also Rechtsfragen abschließend geklärt werden; eine Sachverhaltsaufklärung wird dagegen nur eingeschränkt gelingen, da das Gericht den Sachverhalt selbst nicht wahrgenommen hat. Es bestehen daher erhebliche Prozessrisiken, die oftmals von den Parteien selbst unterschätzt werden.


Die Gerichte sind im gerichtlichen Verfahren zwar verpflichtet, jederzeit auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Allerdings erfolgt die sogenannte „Güteverhandlung“ ausschließlich auf der Basis des von den Parteien unterbreiteten Sachverhalts und vor dem Hintergrund einer vom Gericht vorgenommenen vorläufigen rechtlichen Beurteilung. Der Spielraum für eine einvernehmliche Regelung ist damit bereits stark eingegrenzt.


Neutralität und ihre Grenzen

In der Vergangenheit gab es bei vielen Bezirksverbänden Schiedskommissionen, die bei aufkommenden Streitigkeiten mit den Konfliktparteien Lösungen erarbeiten sollen. Diese Schiedskommissionen sollten – wie Gerichte – neutral und unvoreingenommen eine Konfliktlösung anbieten. Die Schiedskommissionen sind in der Regel nicht mit Juristen besetzt. Der Schwerpunkt in der Konfliktlösung liegt folglich nicht auf der rechtlichen Beurteilung, sondern auf der Ebene des Sachkonflikts. Obwohl sich hierdurch ein anderer Blickwinkel ergeben kann, ist diese Konfliktlösung jedoch eng mit der gerichtlichen Konfliktlösung verwandt. Das Verfahren konnte im Falle der Nichteinigung durch einen Schiedsspruch beendet werden. Allerdings war dieser Schiedsspruch nicht verbindlich, so dass der unterlegenen Partei das Verfahren vor den Gerichten offen stand.


Derartige Verfahren sind aus der Mode gekommen, da die Akzeptanz durch die Parteien fehlte. Dies beruhte zusätzlich darauf, dass Kleingärtner diese Schiedskommissionen in die Nähe der Bezirksverbände setzen und folglich lieber gleich eine gerichtliche Lösung anstreben, weil sie sich von einem neutralen Gericht im Ergebnis mehr erhoffen.


Mediation im Kleingartenwesen

Einen völlig anderen Weg der Konfliktlösung beschreitet dagegen die Mediation, die im Kleingartenwesen noch weitgehend unbekannt ist und kaum in Erscheinung tritt. Sind Parteien eines Konflikts bereit, den Konflikt dauerhaft zu lösen und Regelungen zu schaffen, die den Konflikt im Alltag auf eine für alle tragbare Weise bewältigen, bietet sich die Chance für eine erfolgreiche Mediation.


Anders als im gerichtlichen Verfahren wird dazu unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Gespräch zur Streitbeilegung anberaumt. Dieses Gespräch wird durch einen Mediator geführt. Zum Mediator eigenen sich verschiedene Berufsgruppen. Nicht nur Rechtsanwälte und Richter sind als Mediatoren tätig, sondern auch Psychologen. Die Mediatoren treten als informierte, aber unparteiische Moderatoren einer vertraulich geführten Diskussion auf. Anders als ein Richter gibt der Mediator keine eigene Stellungnahme für eine Lösung des Problems ab, sondern unterstützt die Diskussionspartner bei der gegenseitigen Darstellung des Streits und seiner Hintergründe und der eigenverantwortlichen Erarbeitung ihrer

Lösung. Der Mediator gibt allein die Spielregeln der Problemerörterung vor und sorgt dafür, dass der Gesprächsverlauf konstruktiv bleibt.


Der Gang der Mediation wird also von den Beteiligten selbst entsprechend ihrer Bedürfnisse und den Besonderheiten des zu erörternden Problems geführt. Die Konfliktparteien sind damit die eigentlichen Gestalter des Gesprächs einschließlich der damit verbundenen Zielführung. Im Rahmen einer Mediation wird oftmals sichtbar, dass der aktuelle Streit nur das Resultat anderer Probleme ist. Im Rahmen der Mediation können daher die Ausgangsprobleme mit erfasst und einer Lösung zugeführt werden, um zukünftig das Entstehen neuer Konflikte zu vermeiden. Dabei können die Betroffenen auch Verhaltensregeln erarbeiten und festlegen, um neue Konflikte nicht entstehen zu lassen.


Bei einer erfolgreichen Mediation wird das Ergebnis des Mediationsgesprächs schriftlich festgehalten und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt. Soweit das Ergebnis Rechtsfragen betrifft, haben die Beteiligten die Möglichkeit, das Ergebnis unter Zuhilfenahme eines Juristen rechtlich sauber zu formulieren.


Fazit

Für eine Mediation sind grundsätzlich all diejenigen Konflikte geeignet, die zwischen den Kleingärtnern selbst entstehen. Derartige Fälle sind schon deshalb nicht für eine gerichtliche Klärung geeignet, weil aus der Sicht eines Bezirksverbandes dieser – wie auch ein Richter – grundsätzlich auf Äußerungen Dritter angewiesen ist. Er kann nicht beurteilen, ob diese Äußerungen zutreffend sind und welche Ursachen der Konflikt der Kleingärtner hat. In vielen Fällen soll der Bezirksverband dann auf der Basis der rechtlichen Auseinandersetzung den Konflikt für einen der betroffenen Kleingärtner führen, obwohl dieser Kleingärtner selbst in der Lage gewesen wäre, eine Konfliktbereinigung anzustreben.


Ein Bezirksverband weiß bei einem Konflikt zwischen zwei Kleingärtnern nicht, ob der mitgeteilte Sachverhalt vollständig und richtig ist. Er wird damit in vielen Fällen zum Spielball privater Interessen. Aus diesem Grunde sollte in derartigen Fällen grundsätzlich den Konfliktparteien der Hinweis erteilt werden, ihren Konflikt im Rahmen einer Mediation zu lösen. Selbst wenn eine Konfliktpartei eine außergerichtliche Mediation ablehnt, sollten die Kleingärtner zunächst darauf verwiesen werden, eine gerichtliche Auseinandersetzung selbst zu führen. Im Rahmen eines derartigen Verfahrens könnte ein erneuter Versuch zur Mediation unternommen werden, da auch die Gerichte bereits seit einigen Jahren eine gerichtliche Mediation anbieten.


Ähnliche Erwägungen gelten für Konflikte, die sich aus Wertermittlungen ergeben. Denn die Wertermittlungen basieren auf den Beurteilungen unabhängiger Schätzer, die dem Bezirksverband und dem betroffenen Kleingärtner zur Verfügung gestellt werden. Wertermittlungen basieren aber nicht nur auf objektiven Kriterien, sondern auch auf subjektiven Einschätzungen, die unterschiedlich ausfallen können. Für derartige Einschätzungen gibt es oftmals kein „richtig oder falsch“. Die Mediation bietet also beiden Konfliktparteien die Chance, die unterschiedlichen Beurteilungen auf eine gemeinsame Basis zu bringen.


Wo Mediation nicht greift

Ungeeignet sind dagegen klare Regelverstöße durch eine Vertragspartei. Wenn also ein Unterpächter seine Kleingartenparzelle unzulässigerweise überbaut hat, dann ist ein Bezirksverband gezwungen, auf die Einhaltung der bestehenden vertraglichen Regelungen zu drängen, um Nachahmungen zu vermeiden. Auch dürfen keine Präzedenzfälle geschaffen werden, die mit dem Kleingartenrecht unvereinbar sind. Für diese Fälle bleibt es im Regelfall beim klassischen gerichtlichen Verfahren, in dem allenfalls einvernehmlich geklärt werden kann, auf welche Weise der Kleingärtner den vertragsgemäßen Zustand wiederherzustellen hat.



Klaus Kuhnigk

Jurist des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e.V., im Gartenfreund 3-2013