Handlungsunfähigkeit kann Mitgliedern Kosten verursachen
In den letzten Jahren häufen sich die Fälle, in denen örtliche Kleingartenvereine Schwierigkeiten haben, Mitglieder für Vorstandsämter zu gewinnen. Die Bereitschaft zur Übernahme von Ehrenämtern hat sich damit auch bei den Kleingärtnern abgeschwächt. In den harmloseren Fällen kann ein örtlicher Kleingartenverein lediglich einzelne Vorstandsämter nicht besetzen, verfügt nach der Neuwahl aber über genügend Vorstandsmitglieder, um handeln zu können. In den schwerwiegenderen Fällen können die Vorstandsämter, die den Verein gemäß § 26 BGB nach außen vertreten, komplett nicht besetzt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Verein noch handlungsfähig ist, welche Folgen eine fehlende Handlungsfähigkeit haben kann und wie eine Handlungsfähigkeit wieder hergestellt werden kann.
Handlungsfähigkeit
Für den Verein ist entscheidend, dass die Vorstandsämter, die nach § 26 BGB für ein Handeln nach außen notwendig sind, besetzt werden. Die Satzung regelt, wie viele Vorstandsmitglieder den Verein nach außen vertreten und ob diese einzeln oder nur in Gemeinschaft mit weiteren Vorstandsmitgliedern handeln können. Können mehrere Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich handeln, wird der Verein bereits handlungsun-
fähig, wenn nicht mehr genügend Vorstandsmitglieder im Amt sind, um die von der Satzung vorgeschriebene Anzahl zu erreichen. Ein Beispiel: Der Vorstand im Sinne von § 26 BGB besteht aus drei Personen, wobei zwei Vorstandsmitglieder gemeinschaftlich zur Vertretung erforderlich
sind. Sind zwei Mitglieder nicht mehr im Amt, kann das verbliebene Vorstandsmitglied den Verein nicht mehr wirksam vertreten. Gewählte Vorstandsmitglieder im Sinne von § 26 BGB vertreten den Verein für die Zeit ihrer Amtsdauer. Die Amtsdauer ergibt sich regelmäßig aus den Satzungsbestimmungen. Mit Ablauf der Amtsdauer endet das Vorstandsamt automatisch. Einige Satzungen sehen allerdings vor, dass Vor-
standsmitglieder auch nach Ablauf der Amtsdauer solange im Amt bleiben, bis ein neues Vorstandsmitglied anstelle des alten Vorstandsmitglieds gewählt worden ist. Derartige Satzungsbestimmungen stellen sicher, dass der Verein nach Ablauf der Amtszeit bis zur Neuwahl des Vorstands
handlungsfähig bleibt.Das Vorstandsamt endet allerdings auch dann, wenn ein Vorstandsmitglied sein Amt niederlegt. Legt der gesamte Vorstand im Sinne von § 26 BGB sein Amt nieder, wird der Verein sofort handlungsunfähig. Die Handlungsfähigkeit wird erst durch Neuwahl wieder hergestellt. Finden sich im Falle der Neuwahl keine Kandidaten, bleibt der Verein handlungsunfähig.
Notvorstand
Verfügt ein Verein nicht über einen handlungsfähigen Vorstand, kann diese Problemlage nicht ohne Weiteres über die Bestellung eines Notvorstandes im Sinne von § 29 BGB gelöst werden. Denn die Bestellung eines Notvorstandes durch ein Gericht ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Zunächst einmal muss ein Vorstand entweder insgesamt fehlen oder aber es fehlt an der erforderlichen Zahl der Vorstandsmitglieder im Sinne von § 26 BGB, die für die Vertretung des Vereins erforderlich sind. Allerdings ist auch in derartigen Fällen die Be-
stellung eines Notvorstandes durch ein Gericht nur das letzte Mittel. Der Verein muss also zunächst versuchen, im Rahmen einer Mitgliederversammlung die Vorstandsämter durch Neuwahlen zu besetzen. Wurden nicht die satzungsrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, wird die Bestellung eines Notvorstands durch ein Gericht regelmäßig abgelehnt. Eine Bestellung eines Notvorstands erfolgt ebenfalls nicht,
wenn die Bestellung eines Prozessvertreters für den Verein ausreicht, um Rechtsstreitigkeiten erledigen zu können. Selbst wenn nachgewiesen werden könnte, dass die Voraussetzungen für das „Fehlen der erforderlichen Vorstandsmitglieder“ vorliegen, ist weitere Voraussetzung, dass ein „dringender Fall“ vorliegt. Die Dringlichkeit wird regelmäßig nur bejaht, wenn der Verein sich nicht mehr durch eigene Maßnahmen helfen kann.
Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Einberufung einer Mitgliederversammlung nicht mehr möglich ist, dem Verein ein Schaden entstehen würde oder eine als bald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden könnte. Letzteres wäre der Fall, wenn der Verein Fristen einzuhalten
hat, etwa um Steuerzahlungen vorzunehmen, Steuererklärungen abzugeben oder gegen ergangene Steuerbescheide fristgebundene
Rechtsbehelfe einzulegen. Eine „dringliche Angelegenheit“ läge ebenfalls vor, wenn der Verein fällige Zahlungen vorzunehmen hat oder verklagt werden soll. In vielen Fällen liegen bei örtlichen Kleingartenvereinen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notvorstandes jedoch nicht vor.
Zu beachten ist, dass ein vom Gericht bestellter Notvorstand Anspruch auf eine angemessene Vergütung hat, die vom Verein zu tragen ist. Die Kosten sind also im Ergebnis von den Mitgliedern zu tragen.
Folgen der Handlungsunfähigkeit
Wird der örtliche Kleingartenverein handlungsunfähig, fällt er als Ansprechpartner für die Bezirksverbände aus. Die Mitglieder des örtlichen Kleingartenvereins, die zugleich Unterpächter der Bezirksverbände sind, müssen nunmehr sämtliche Pflichten aus dem Unterpachtvertrag selbst erfüllen. Hierzu gehört insbesondere die Zahlung der Pachtzinsen und öffentlich-rechtlichen Lasten an den Bezirksverband. Haben die örtlichen Kleingartenvereine im Auftrag der Kleingärtner in der Kleingartenanlage die Pachtzinsen und öffentlich-rechtlichen Lasten für den Bezirksverband eingezogen und nicht an den Bezirksverband weitergeführt, weil ein Vorstand fehlt, geraten die Kleingärtner gegenüber dem Bezirksverband in Zahlungsverzug und riskieren den Bestand der Unterpachtverträge. In dieser Konfliktlage wäre für die Mitglieder des örtlichen Kleingartenvereins ein „dringender Grund“ gegeben, um einen Notvorstand bestellen zu lassen, damit die Pachtzinsen und öffentlichrechtlichen Lasten zur Vermeidung von Rechtsnachteilen an den Bezirksverband weitergeleitet werden. Hat der örtliche Kleingartenverein im Auftrag des
Bezirksverbandes Pachtzinsen und öffentlichrechtliche Lasten von den Kleingärtnern eingezogen, entstehen für die einzelnen Kleingärtner mit
der Zahlung an den örtlichen Kleingartenverein keine Rechtsnachteile. Denn die Zahlung an den Bevollmächtigten des Bezirksverbands hat bereits Erfüllungswirkung. Vielmehr hat dann der Bezirksverband das Problem, die beim örtlichen Kleingartenverein eingezahlten Beträge vom Vorstand des Kleingartenvereins zu erhalten. In derartigen Fällen könnte dann der Bezirksverband den Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes stellen, weil der Bezirksverband ein Recht gegen den örtlichen Kleingartenverein verfolgt und ein „dringender Fall“ gegeben ist. Denn der Bezirksver-
band ist auf die Weiterleitung der Pachtzinsen und öffentlich-rechtlichen Lasten angewiesen, damit er seinerseits seine Zahlungspflichten gegenüber dem Grundstückseigentümer erfüllen kann. Problematischer ist allerdings, dass ein „kopfloser Kleingartenverein“ seine Aufgaben nach § 5 Abs. 4 des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) nicht mehr wahrnehmen kann. Denn die örtlichen Kleingartenvereine organisieren in ihren Kleingartenanlagen Leistungen der Kleingärtner zur Bodenverbesserung, zur Instandsetzung von Wegen und Einfriedungen sowie von Parkplätzen. Werden derartige Aufgaben nicht mehr von örtlichen Kleingartenvereinen erfüllt, kann der Bezirksverband die Kostenrückerstattung von ihm geleisteter Aufwendungen für erforderliche Maßnahmen von den Unterpächtern verlangen. Nimmt also ein Bezirksverband hierfür die Leistung von Fremdfirmen in Anspruch, haben die Kleingärtner die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen. Die Nichtbesetzung der Vorstandsämter in örtlichen Kleingartenvereinen hat demnach unmittelbare finanzielle Folgen für die Kleingärtner. Dies wird von vielen Kleingärtnern in den betroffenen Vereinen nicht bedacht. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Kleingärtner ihren Ansprechpartner gegenüber dem Bezirksverband verlieren, mit dem sie eigene Angelegenheiten innerhalb der Kleingartenanlage bisher geregelt haben. Ohne einen handlungsfähigen örtlichen Kleingartenverein ist der Bezirksverband gezwungen, sämtliche Angelegenheiten eigenverantwortlich und
selbstständig nach eigenen Vorstellungen zu regeln. Viele Gestaltungsfreiheiten können dann nicht mehr von den Kleingärtnern wahrgenommen werden.
Fazit
Die Nichtbesetzung von Vorstandsämtern innerhalb der örtlichen Kleingartenvereine widerspricht den Interessen der Mitglieder dieser Vereine. Die fehlende Bereitschaft zur Ausübung eines Vorstandsamtes führt im Ergebnis dazu, dass die Kleingärtner ihre eigenen Interessen nicht mehr angemessen wahrnehmen können. Darüber hinaus führt dies regelmäßig zu höheren Kostenbelastungen, weil nunmehr Aufwendungen der Be-
zirksverbände gemäß § 5 Abs. 4 BKleingG auf die betroffenen Kleingärtner umgelegt werden können. Die Bestellung eines Notvorstands löst das eigentliche Problem nicht und ist allenfalls eine Notmaßnahme, die in Ausnahmefällen zu einer begrenzten Konfliktlösung führen kann. Die Kosten des Notvorstandes hat der betroffene Verein – und damit dessen Mitglieder – zu tragen.
Klaus Kuhnigk
Rechtsanwalt im Auftrag des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e.V., Berliner Gartenfreund, 4-2016