Das Schreiben ist die Antwort des Staatssekretärs, Stefan Tidow, der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zur Stellungnahme des Landesverbands zum KEP 2030 und der Veröffentlichung unseres Forderungskataloges.
Liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde,
Berlin ist eine Stadt der Kleingärten. Über 71.000 Parzellen prägen das Stadtbild und wer eine Parzelle sein eigen nennt, kann sich glücklich schätzen. Kleingärten sind schön für diejenigen, die sie haben, doch mehr noch: sie sind auch wichtig für die Stadt- für das Stadtklima, für den Bodenschutz, aber auch den Artenschutz und vor allem für die Erholung. Kein Wunder, dass die Nachfrage nach ihnen groß und angesichts der Corona-Pandemie noch größer geworden ist.
Gute Gründe also für unser gemeinsames Anliegen, Kleingärten zu sichern und den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern eine klare Perspektive zu geben. Hierzu ist der Kleingartenentwicklungsplan (KEP) das Instrument, über das meine Senatsverwaltung innerhalb des Senats verfügt. Wir haben deshalb, obwohl vom Rat der Bürgermeister (RdB) noch eine weitere Überarbeitung gefordert wurde, am 25.August 2020 den Kleingartenentwicklungsplan Berlin 2030 beschlossen und dem Abgeordnetenhaus zur Beschlussfassung übersandt. Zu diesem Schritt hat sich der Senat nach reiflicher Überlegung entschieden. Die vom RdB geforderten grundlegenden Überarbeitungen und gewünschten Präzisierungen hinsichtlich der Verkehrsprojekte und Ersatzflächen können nicht kurzfristig vorgenommen werden und hätten den Schutz, den der KEP bieten kann, weit in die Zukunft geschoben. Dafür rund 280 ha Kleingartenfläche Ende des Jahres 2020 die Schutzfrist enden würde, war aus Sicht des Senats eine Beschlussfassung in diesem Jahr unbedingt erforderlich und hätte jede Verzögerung diese Verlässlichkeit und Sicherheit riskiert, die der Senat den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern gerne baldmöglichst geben würde.
Mit dem Senatsbeschluss bindet der KEP als behördenverbindliches Planwerk bereits die Verwaltungen des Landes und der Bezirke in ihren Planungen. Er steht gleichberechtigt auf einer Stufe mit den Stadtentwicklungsplänen Wohnen, Wirtschaft, Klima, Verkehr und Zentren. Die noch ausstehende Beschlussfassung des Abgeordnetenhauses wird dem KEP zusätzliches politisches Gewicht geben.
Der KEP bekräftigt auf überzeugende Art und Weise, die weiterhin dauerhafte Sicherung der weit überwiegenden Anzahl der Parzellen: ca. 2.400 ha (82% der Gesamtfläche) mit rund 58.000 Parzellen sind über B-Pläne oder den Darstellungen des Flächennutzungsplans (FNP)Berlin abgesichert.
Der KEP kann geltendes Planungsrecht nicht außer Kraft setzen, jedoch planerische Aussagen des FNP priorisieren und konkretisieren. Da rund 13.000 Parzellen planungsbefangen sind, konnten sie zwar nicht als dauerhaft gesichert eingestuft werden, bezüglich der Fragen, ob und wann diese Planungen aber umgesetzt und die Kleingärten wirklich geräumt werden müssen, ist eine völlig offene Frage. Durch einen politischen Kraftakt konnte ein Einvernehmen erreicht werden: Von den landeseigenen planungsbefangenen knapp 7.000 Kleingärten soll kein einziger für den Wohnungsbau oder Gewerbeansiedlungen in den kommenden 10 Jahren in Anspruch genommen werden. Und noch mehr: Wir haben zusammen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen einen Prüfprozess verabredet, der zum Ziel hat, zu klären, wie und wo auch dauerhaft auf die Inanspruchnahme dieser wichtigen grünen Oasen verzichtet werden kann. Dies ist eine weitreichende Verbesserung und Perspektive über die nächsten zehn Jahre hinaus für viele Kleingärtnerinnen und Kleingärtner, auf die sich die rot-rot-grüne Regierungskoalition verständigt hat.
Von über 71.000 Parzellen werden innerhalb der Periode bis 2030 - auch wenn es nicht leichtfällt- dennoch 450 Parzellen für soziale Infrastruktur in Anspruch genommen: Allerdings geschieht dies für die dringend benötigte Schule, für die Kita, für die Sporthalle. Und weil es die Transparenz gebietet, muss gesagt werden, dass noch einige dazukommen für die verkehrliche Erschließung von z.B. neuen Wohngebieten oder den Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke. Es ist dabei noch nicht geklärt, wie viel es genau sein werden.
Es erscheint mir nach wie vor richtig, dass im verabschiedeten KEP die Kleingartenanlagen genannt wurden, die für verkehrliche Erschließung von insbesondere neuen Wohngebieten betroffen sein können, ohne dass bereits konkrete Planungen vorliegen. Dies hat offensichtlich den Eindruck erweckt, als ob diese Anlagen zur Gänze aufgegeben werden müssten und hat zu großer Verunsicherung geführt. Daher ist es mir wichtig klarzustellen und zu betonen, dass in der Regel nur einzelne Parzellen bzw. Teilflächen betroffen sein werden. Für uns war ausschlaggebend, dass wir im Sinne einer größtmöglichen Transparenz ansprechen wollten, wo unseres Wissens nach für die Betroffenen eventuell nachteilige Entscheidungen anstehen.
Bis auf die bekannten zur räumenden Parzellen der KGA Morgengrauen und Ehrliche Arbeit ist bisher nicht detailliert bekannt, ob, wann und in welchem Umfang die im KEP angeführten sozialen oder verkehrlichen Projekte umgesetzt werden. Bei Letzteren werden erst in den nächsten Jahren die Planungen soweit konkretisiert, dass Trassenverläufe feststehen. Auch deshalb hieße dem Wunsch des RdB zu folgen, eine Verschiebung des KEP über Monate und Jahre in Kauf zu nehmen.
Für die betroffenen Parzellen sieht der KEP ausreichend Ersatzparzellen vor, auch wenn diese leider nicht immer in der Nähe sind. Wir hätten als Umweltverwaltung sehr gerne mehr Flächen ausgewiesen, mussten aber leider zur Kenntnis nehmen, dass im Zuge des Abstimmungsprozesses zum KEP von den ursprünglich vorgesehenen 240 ha Ersatzflächen nur 140 ha übriggeblieben sind, weil die Verwaltungen und die Bezirke ihre Flächen dann doch für andere Bedarfe vorgesehen haben. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist der Wunsch des Rats der Bürgermeister der Bezirke nach mehr Ersatzflächen zwar verständlich, aber auch verwunderlich: Denn es sind ihre Entscheidungen, die der KEP dokumentiert und die wir auch mit einem gesamtstädtischen Blick nicht korrigieren können.
Probleme werfen vor allem jene Kleingartenanlagen auf, die auf Privatgrundstücken und zugleich in Bauflächen liegen. Das betrifft rd. 2.700 Parzellen, 3,9 Prozent der Fläche. Die Sorge der Betroffenen, einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen, kann ich sehr gut verstehen und auch ihre Enttäuschung. Es ist eine traurige Tatsache: der KEP kann ihnen als Instrument nicht die Perspektive geben, die sie gerne hätten. Nachvollziehbar ist der Wunsch, über den KEP hinaus mehr Sicherheit zugeben. Gegenwärtig wird daher große Hoffnung mit einem sogenannten „Kleingartenflächensicherungsgesetz“ verbunden und einem entsprechenden Entwurf, der im politischen Raum diskutiert wird und über den auch der „Berliner Gartenfreund“ berichtet. Das Anliegen ist grundsympathisch und um auch das ganz klar zu sagen: als für das Stadtgrün verantwortlicher Staatssekretär würde ich ein solches Gesetzeswerk vorbehaltlos begrüßen, wenn es die gewünschte Perspektive böte. Aber verantwortungsvolle Politik bedeutet auch, keine falschen Erwartungen zu wecken und keine falschen Versprechungen zu machen –und schon gar nicht bei einem so emotionalen und im wahrsten Sinne des Wortes für Betroffene existentiellen Thema.
Wenn eine rechtliche Sicherung so einfach wäre, frage ich mich, warum es ein entsprechendes Gesetz nicht längst gibt. In Zeiten des großen Kleingartensterbens der vergangenen Jahrzehnte hätte es sehr geholfen und die Flächenkonkurrenz war seinerzeit mitnichten so ausgeprägt wie heute.
Das hat Gründe: politische und rechtliche. Angesichts der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und Ländern wird es hinsichtlich des bundesgesetzlich geregelten Planungsrechts bereits schwierig werden, dielandeseigenen KGA auf planungsrechtlich festgesetzten Bauflächen per Gesetz abzusichern. Um wieviel schwieriger wird es sein, die Anlagen auf privatem Bauland landesgesetzlich abzusichern? Als Umweltverwaltung sind wir offen für entsprechende Vorschläge, aber unterrechtlichen Gesichtspunkten auch skeptisch. Einen überzeugend und juristisch belastbar formulierten Gesetzentwurf kenne ich bisher nicht. Und sollte es ihn geben, würden die politischen und fachlichen Zielkonflikte, mit denen wir als für das Stadtgrün zuständige Verwaltung immer wieder konfrontiert werden und die ja schon jetzt die Ursache dafür sind, dass Parzelle weichen müssen, für weitere Diskussionen sorgen. „Fläche ist die neue Währung“ und eine wachsende Stadt braucht Kleingärten, aber sie verlangt und auch Stadtquartiere, Verkehrsinfrastrukturen, Schulen, Kitas, neue Parkanlagen, Spielplätze und und und.
Schon eine weit weniger ambitionierte Zielstellung, nicht die existierenden Anlagen zu sichern, sondern nur die abstrakte Flächenkulisse – also den Status quo von 2900 ha im Stadtgebiet als Kleingärten auszuweisen plus einer Wachstumsrate analog der Wohnbevölkerung, begegnet bereits dem Aufschrei jener, die sich um Mieten, Immobilienpreise und Wohnungen sorgen. Und Kleingärten gegen Naturschutzgebiete oder andere öffentlich zugängliche Grünflächen auszuspielen – also die Flächenkonkurrenz innerhalb der grünen Infrastruktur zu befördern – davor kann ich nur warnen.
Nein, die Flächenfrage bleibt die schwierigste Herausforderung vor der wir als gesamte Stadtstehen. Einfache Lösungen wird es nicht geben. Auch eine Landeskleingartenstiftung, ebenfalls ein Vorschlag, der in der politischen Diskussion ist, bietet den gefährdeten Kleingärten auf privatem Grund und Boden nicht im Mindesten mehr Sicherheit. Mit dem KEP ist es angesichts der sehr realen schwierigen Situation gelungen ein Höchstmaß an Sicherheit und Perspektive zugeben, an Transparenz und Verlässlichkeit. Auch wenn es Enttäuschungen gibt, es ist mehr als in früheren Zeiten und niemand sollte es geringschätzen. Wer so tut, als ob die Sicherung von Kleingärten nur eine Frage des „Wollens“ wäre, wertet diesen Erfolg ab, den wir gemeinsam auch mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen errungen haben.
Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz wird weiterhin für die Anliegen der Gartenfreunde streiten und auf der Grundlage des KEP auch die Liste der Forderungen des Landesverbandes gemeinsam mit ihm abarbeiten. Soweit diese Forderungen meine Verwaltung betreffen, werden wir zu deren Umsetzung beitragen. Vor allem die Frage, wie Ersatzflächen beschafft und gestaltet werden, ist uns ein wichtiges Anliegen und muss auch jenseits der jetzt gemeldeten Flächen mit den Bezirken und den Kleingärtnerorganisationen präzisiert werden. Und an den Überlegungen, wie noch mehr Schutz und noch mehr Sicherheit angesichts der vielen Herausforderungen erreicht werden können, wirken wir als Umweltverwaltung gerne und engagiert mit.
Stefan Tidow
Staatssekretär für Umwelt und Klimaschutz
Hinweis:
Eine Stellungnahme durch den Landesverband Berlin erfolgt in der Dezember-Ausgabe 2020 der Verbandszeitschrift "Berliner Gartenfreund"
Vorschaufoto: Marion Kwart