von Michael Matthei. Dieser Beitrag ist im April 2019 als Editorial im Berliner Gartenfreund* erschienen.
Wir als aktiver Teil einer Stadtgrün-Lobby
Der Bedarf an Kleingärten nimmt in ländlichen Regionen ab, in Städten jedoch, besonders in Großstädten, steigt er durch den zunehmenden Bevölkerungszuwachs. Mehr Menschen brauchen Wohnraum, mehr an damit einhergehender Infrastruktur, mehr Produktionsfläche – und mehr Grün. Dies führt unweigerlich zu einem stärker werdenden Zugriff auf die begrenzte Ressource Boden. Unter dem Deckmantel des sozialen Wohnungsbaus führt diese Flächenkonkurrenz aktuell zu einem publizistischen Angriff auf die Kleingartenflächen in Berlin. Vorgetragen wird dies von Mitverursachern der heutigen Situation des Wohnungsmarkts. Die aktuelle Landesregierung jedoch versucht, die Fehler, die ab 1990 Im Rahmen der Stadtentwicklung verursacht wurden, zu korrigieren.
Berlin ist eine Mieterstadt
Dies gefällt den profitorientierten Unternehmen der Immobilien- und Baubranche nicht. Aus unserem Berlin, das immer eine Mieterstadt war, versuchen sie eine wohneigentumorientierte Stadt zu machen. Eine Stadt aber, in der über 50 Prozent seiner Bewohner Anspruch auf sozialen Wohnraum oder Wohnzuschüsse haben, kann sich die Hälfte der Bevölkerung keine Eigentumswohnungen, Eigenheime oder teure Luxusunterkünfte leisten. Wenn dann noch die zuständige Senatsverwaltung Geld aus der Finanzverwaltung für die Wahrnehmung von Vorkaufsrechten erhält und somit Flächen für den sozialen Wohnungsbau und die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen erwirbt, bleiben natürlich nur noch teurere und weniger attraktive Flächen für die Baubranche übrig. Weil dies nicht in ihrem Interesse ist, gehen sie in der Presse manipulativ dagegen vor und versuchen die Stadtgesellschaft damit auf ihre Seite zu ziehen.
Höhere Verantwortung für das Stadtgrün
Dies erzeugt unnötig Unruhe und Druck in einer Zeit, in der wir einer breit gefächerten Herausforderung in der Stadtplanung und Gestaltung gegenüberstehen. Wir haben auf der einen Seite eine Entwicklung der einwohnermäßigen Zuwächse und auf der anderen Seite die aktuellen und weiter fortschreitenden Klimaveränderungen, die auch ihre gravierenden Auswirkungen in den Großstädten zeigen. Die Landesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung versucht, vielen Handlungsnotwendigkeiten Rechnung zu tragen. Auch in sozialen stadtplanerischen Bereichen mit einer höheren Verantwortung für den Boden und dem Grün dieser Stadt gegenüber. Das Grün, das eben auch die Berliner Kleingärten umfasst. Es wurde sogar die Sicherung der Berliner Kleingärten als eigener Punkt aufgenommen.
Vertragliche Sicherung fordern
Aktuell wird der Kleingartenentwicklungsplan (KEP) fortgeschrieben. Mit diesem Plan wurde aufgrund breiter wissenschaftlicher Arbeit, auch unter Berücksichtigung der Klimafolgen, ein Planwerk geschaffen, dass in die richtige Richtung weist. Aber eben auch nur ein Schritt, weil der KEP nur ein informelles Handlungsinstrument ohne rechtliche Bindung ist. Darüber hinaus müssen wir letztendlich zu einer definitiven vertraglichen Sicherung kommen. Dies gilt natürlich nicht nur für die Berliner Kleingärten, sondern für das gesamte Stadtgrün.
Starke Grün-Lobby für Berlin erschaffen
Über die Existenzberechtigung, Notwendigkeit und Leistungsfähigkeit der Kleingärten in ihrer ökologischen, sozialen und auch gesundheitlichen Funktion, wurde in der Vergangenheit schon vieles ausgeführt. Wir müssen uns aber auch darüber klar sein, dass auch wir Kleingärtner dem gesellschaftlichen Wandel, Rechnung tragen müssen. Wir müssen noch mehr Aufgaben und Verantwortung im Rahmen der gesellschaftlichen Einbindung übernehmen. Noch stärker unsere Projekte in den Bereichen Bildung, Naturerfahrung und soziales Miteinander erweitern. Dazu werden wir mit wichtigen Grün-Akteuren in Berlin kooperieren. Jeder Mensch benötigt für seine Grundbedürfnisse und gesellschaftlichen Entwicklung den Zugang zu wichtigen Leistungen wie Wohnung, Nahrung, Bildung, Gesundheit und besonders die Natur.
Berlin muss sich endlich eine Lobby für das Stadtgrün schaffen, um den Spekulanten und Betondenkern entgegen zu treten. Dazu sollten alle bereit sein. Ich bin es.
Michael Matthei
Präsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e. V.
*Dieser Artikel ist als Editorial im April 2019 im Berliner Gartenfreund erschienen, mit Einverständnis des Verlags W. Wächter auch hier auf der Webseite.
Foto M. Matthei: ©Jana Vajello Manzano , Foto Garten: ©Fotolia