Erster Insolvenzbericht liegt vor
Misswirtschaft im BV-Pankow: zu hohe Ausgaben, zu wenig Kontrolle
Für den insolventen Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e. V. liegen erstmals Fakten auf dem Tisch: Der Insolvenzverwalter Prof. Dr. Torsten Martini legte Ende Oktober anlässlich der Gläubigerversammlung einen umfassenden Bericht zur finanziellen Situation im BV-Pankow vor. Er hat dazu seit Juni Geschäftsunterlagen, Kontoführung und Buchhaltung aus vergangenen Jahren ausgewertet.
Seinen 41-seitigen Bericht fasst Martini folgendermaßen zusammen: „Die völlig ausufernden Personalkosten, keine diesbezüglichen Einschränkungen durch den Vereinsvorstand und unzureichende Kontrollmechanismen dürften im Wesentlichen für die Krise ursächlich gewesen sein.“
Defizit durch ausufernde Gehälter
Nach seinen Erkenntnissen wurden über Jahre die Verbandseinkünfte durch die hohen Gehaltszahlungen „vollumfänglich aufgezehrt“. Für sieben Mitarbeiter betrugen die Personalkosten im Jahr 2020 bei rund 800.000 Euro, in 2021 sogar bei 982.000 Euro. Bei Bezirksverbänden in vergleichbaren Größenordnungen sollen sich die jährlichen Personalkosten zwischen 200.000 bis 300.000 Euro belaufen, vergleicht Thorsten Martini. Die Personalkosten im BV-Pankow waren demzufolge dreimal bis viermal höher als in Vergleichsverbänden.
Weil dem Verband insgesamt zwischen 900.000 und 1 Million Euro jährlich zur Verfügung standen, rutschte er durch die weiteren Ausgaben unweigerlich ins Minus. Damit gab es nach den zwei gesichteten Geschäftsjahren zusammengerechnet ein Defizit von rund 600.000 Euro. Die Aufarbeitung der Zahlen für 2022 und des Rumpfgeschäftsjahres 2023 dauern noch an.
„Leichtsinniger“ und „kreativer“ Umgang mit Geldern
Auch an anderer Stelle wurde „leichtsinnig“ gehandelt: Noch im November 2022 wurde trotz der schlechten Finanzlage gemeinsam mit der KGA Am Anger ein Kaufvertrag für private Kleingartenflächen in der Anlage abgeschlossen. Kaufpreis: 2,25 Millionen Euro, verteilt auf 18 Jahre. Gegenüber dem Verein verpflichtete sich der Bezirksverband auf jährliche Zahlungen von 80.000 Euro, doch die blieben nun aus.
Darüber hinaus bediente sich der BV an dem Geld, das die mitfinanzierenden Vereinsmitglieder und Spender für den Flächenankauf bereits auf ein separates Konto überwiesen hatten, und verwendete es offenbar für seine laufenden Geschäfte. Der Verein Am Anger ist nun selbst von Insolvenz bedroht.
Wie Insolvenzverwalter Martini berichtet, sei es im Bezirksverband offenbar „seit Jahren völlig üblich gewesen“, auch mit den Pachtzahlungen aus den Vereinen kreativ umzugehen. Sie seien nicht sofort an die Verpächter weitergeleitet worden, denn man habe mit dem Geld „gearbeitet“, so habe es ihm die frühere 1. Vorsitzende und Geschäftsführerin auf Anfrage mitgeteilt.
Spekuliert wurde bereits vor der Anmeldung des Insolvenzverfahrens über nicht nachvollziehbare Kontobewegungen und Überweisungen, die auch ins Ausland gegangen sein sollen. Die kontoführende Bank hat aber trotz wiederholter Nachfragen von Verband und Insolvenzverwalter keine Auskünfte dazu gegeben. Ob die Geschäftsunterlagen beim Bezirksverband vollständig sind, müsse noch geklärt werden. Allerdings habe er bisher keine systematische Vernichtung von Dokumenten feststellen können, betont Martini.
Wer haftet?
Geprüft wird im weiteren Insolvenzverfahren, inwieweit die Beteiligten im Bezirksverband für die entstandenen Schäden haftbar zu machen sind. „Allein die völlig aus dem Ruder gelaufenen Personalkosten lassen sich eigentlich nur so erklären, dass über Jahre hinweg Pflichtverletzungen … begangen und … nicht aufgedeckt bzw. verhindert oder abgestellt worden sind“, stellt der Insolvenzverwalter fest. Er geht davon aus, dass sich diese Pflichtverletzungen auch nachweisen lassen.
„Es gibt mehrere Anzeigen gegen die damals handelnden Personen“, teilte der Präsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e. V. im Oktober in einem Interview dem Verlag W. Wächter für die Verbandszeitschrift „Gartenfreund“ mit. „Dort wird nach meinem Eindruck zu wenig ermittelt – und wenn, dann ist es zumindest öffentlich nicht wahrnehmbar. Im Interesse der mehr als 5000 betroffenen Pankower Kleingärtner und ihrer Familien habe ich mich deswegen auch an die Justizsenatorin gewendet“, so Schoppa weiter.
Kann man den BV-Pankow sanieren?
Die Zukunftsaussichten des Bezirksverbands will der Jurist Thorsten Martini nach jetzigem Stand noch nicht endgültig beurteilen. Kritisch seien unter anderem der mögliche Wegfall der Beitragspflichten in der Insolvenzphase, die drohende Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit und fehlendes Personal in der Geschäftsstelle. Entscheidend sei nicht zuletzt auch das Vertrauen der Gartenfreunde und ihrer Vereine, meint Martini: „Die Umsetzung eines Insolvenzplans, ohne dass die Mitglieder diesen mittragen, ist jedenfalls wenig sinnvoll, denn diese müssen den Vorstand unterstützen und dieser wiederum muss bereit sein, den Vereinsbetrieb fortzusetzen.“
Auch Gert Schoppa nimmt Bezug auf die Vereine: „Ob der Insolvenzverwalter mit gutem Gewissen einen Sanierungsplan vorlegen kann, wird maßgeblich daran liegen, wie die Vereine die Zukunft des Bezirksverbandes sehen. Wir gehen davon aus und treten mit allen unseren Möglichkeiten dafür ein, dass sich der Verband neu aufstellt, auch personell, und neu durchstartet. Das kann erst geschehen, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist, optimistisch betrachtet frühestens Ende März 2024“.
Bis dahin müsse sich auch der Verband neu aufgestellt haben. Das geht nicht ohne einen neuen Vorstand. „Es muss Menschen geben,“ so Schoppa, „die die Geschicke in die Hand nehmen, es muss neue Regularien und Kontrollmechanismen geben. Sicher auch außergewöhnliche Maßnahmen – dass zum Beispiel in nächster Zeit die Jahresabschlüsse durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen aufgestellt werden, um wieder Vertrauen zu schaffen“.
Wie es organisatorisch und personell bei den Pankower Gartenfreunden weitergeht, soll beim außerordentlichen Bezirksverbandstag am 30. November 2023 besprochen werden.
Bisher zum Thema in unseren News oder Pressemitteilungen
BV-Pankow - „Jetzt müssen die Zahlungen zuverlässig fließen“ News vom 07.09.23
Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. stellt Insolvenzantrag Pressmitteilung vom 02. 06.23
Aktuelle Situation im Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. Pressmitteilung vom 18.01.23
Die Verbandszeitschrift "Berliner Gartenfreund" wird in der Dezember-Ausgabe 2023 auch über das Thema berichten.