Verfasst am 15.12.2021 um 09:00 Uhr

Das ist zu wenig!    

Stellungnahme des Präsidenten des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e. V. zum neuen Berliner Koalitionsvertrag   

Die Koalitionsverhandlungen sind zu Ende und unter der Überschrift „Zukunftshauptstadt Berlin. Sozial. Ökologisch. Vielfältig. Wirtschaftsstark.“ skizzieren die künftigen rot-grün-roten Partner in ihrem Regierungsprogramm für die Zeit bis 2026.


Kleingärten als Teil der Alltagskultur

Gleich zu Beginn wird ein buntes Bild von Berlin gezeichnet. „Berlin macht aus“, so heißt es im Papier, „dass jede und jeder nach ihrer und seiner Vorstellung glücklich werden kann und den Raum für den individuellen Lebensentwurf findet – ob Kleingarten oder Clubkultur – oder beides.“ Es ist angenehm auf den ersten drei Seiten zu lesen, dass die doch eher traditionellen Laubenpieper und die wilde Partyszene hier nicht unversöhnlich gegenübergestellt werden, sondern als gleichberechtigt nebeneinander gelebte Realität in unserer Stadt anerkannt werden. Ja, und zunehmend gibt es beide Menschentypen in unseren Kleingartenanlagen. Hip und unkonventionell zu sein und sich als Kleingärtner zu engagieren – das muss einander nicht ausschließen.


Enttäuschung beim Weiterlesen

Als folkloristischer Farbtupfer ist das Kleingartenwesen also prominent im Koalitionsvertrag vertreten, doch was folgt auf den folgenden 149 Seiten an konkreten Aussagen zum Umgang mit den Kleingärten der Stadt? Beim Weiterlesen kommt Enttäuschung auf. Gerade mal zwei Sätze hat der Koalitionsvertrag für uns Gartenfreunde übrig, zwei Sätze, die in identischer Form in den Kapiteln zur Stadtentwicklung und zur Umwelt stehen: „Die Koalition wird die Berliner Kleingärten sichern und die Kleingartenvereine bei der sozialen, umwelt- und kleingartengerechten Ausrichtung unterstützen. Eine gesetzliche Sicherung wird geprüft.“


Zu wenig und zu wenig konkret

Das ist zu wenig und zu wenig konkret. Jede der drei Koalitionsparteien hat sehr viel mehr zum Kleingartenwesen zu sagen – das wissen wir. Aber in den jetzigen Regierungszielen findet sich nur der kleinste gemeinsame Nenner, und der fällt offenbar noch kleiner aus als vor fünf Jahren.

Schon im Vertrag von 2016 wurde die Sicherung der Kleingärten versprochen, sogar die „dauerhafte“ Sicherung. Das Ergebnis ist bekannt: Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode weiterhin Kleingärten in der Stadt verloren – und wir werden in den nächsten fünf Jahren weitere Kleingärten verlieren. Diese sind im so genannten Kleingartenentwicklungsplan 2030 akribisch aufgelistet.


Gartenfreunde müssen einbezogen werden

Durchaus neu ist die Erwähnung einer gesetzlichen Absicherung im Koalitionsvertrag. Doch auch hier gibt es eine Vorgeschichte: Ein solches Gesetzesvorhaben wurde schon in den vergangenen Jahren erarbeitet und diskutiert. Dann kam ein Rechtsgutachten, das dem Land die Gesetzgebungskompetenz in dieser Sache absprach, und der Gesetzentwurf verschwand wieder in den Schubladen.

Es bleibt also abzuwarten, wie dieser Prüfauftrag aussieht und wer ihn formuliert. Unser Mitwirken ist deshalb von Anfang an notwendig. Der Landesverband der Gartenfreunde erwartet, dass der neue Senat den Dialog mit uns sucht – in dieser Frage und in allen anderen Belangen der Berliner Kleingärten. Und wir erwarten auch, dass die Prüfung nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag dauert, sondern zu Beginn mit einem ehrgeizigen terminlichen Ziel vorgenommen wird. Denn wir brauchen das Endprodukt – eine gesetzliche Landesregelung zur Kleingartensicherung – möglichst bis zur Halbzeit der Wahlperiode.


Dialog auf Augenhöhe?

Hoffnungsvoll stimmt uns eine weitere Aussage im Koalitionsvertrag: „Berlin ist die Stadt des Ehrenamtes.“ Ja, diese Stadt würde noch schlechter funktionieren, wenn nicht in Verbänden und Vereinen Tausende Ehrenamtliche für Zusammenhalt sorgen, sich gegenseitig kümmern, soziale Strukturen pflegen, Freud und Leid der Mitglieder teilen würden.

Und hier verspricht die neue Koalition tatsächlich das, was wir uns wünschen: „Wir setzen uns zum Ziel, die ehrenamtlich Engagierten zu unterstützen, auf Augenhöhe zu agieren und ansprechbar zu sein. Unsere Politik entwickeln wir im Dialog und Austausch.“ Unsere mehr als 4000 ehrenamtlichen Vereinsvorstände und Engagierten wird es freuen, wenn dies Wirklichkeit werden sollte. Wir werden die Politiker beim Wort nehmen.


Gert Schoppa

Präsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde



Zum Stand des Koalitionsvertrag

Der Entwurf zum Koalitionsvertrag ist unter "Frag' den Staat" zu finden. Die Berliner SPD hat auf ihrem Landesparteitag am 5. Dezember ihre Zustimmung zu dem ausgehandelten Bündnis gegeben. Die Berliner Grünen haben am 12. Dezember auf ihrem Landesparteitag dem rot-grün-roten Koalitionsvertrag mit 96,43 Prozent zugestimmt. Bei den Linken läuft vom 03.-17. Dezember 2021 ein Mitgliederentscheid.


Berlin, 14.12.2021