Nach siebenjähriger Pause hat die Wilhelm-Naulin-Stiftung am 24. Juni 2023 wieder ihren Preis verliehen. Die Wilhelm-Naulin-Plakette, mit der seit 1984 außerordent-liche Verdienste zum Erhalt, zur Sicherung und Förderung des Kleingartenwesens in Berlin und Brandenburg gewürdigt werden, ging in diesem Jahr an das Garten-projekt „Ambulant Betreutes Gruppenwohnen“ der AWO Potsdam in Zusammen-arbeit mit dem Kleingartenverein Oberförsterwiese in der Landeshauptstadt.
Unter Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (AWO) lernen 18- bis 27-Jährige in einer Wohngemeinschaft, ihre Zukunft wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Zu den vielfältigen sozialpädagogischen Angeboten gehört seit mehr als drei Jahren auch die Bewirtschaftung und Pflege einer Kleingartenparzelle, nur wenige hundert Meter entfernt vom derzeitigen Zuhause der jungen Leute. Einmal wöchentlich kommen sie, um hier zu gießen und zu jäten, um zu pflanzen und zu ernten.
„Wer gärtnert, kann sich sofort über sichtbare Ergebnisse freuen. Zugleich bietet die Gartenarbeit nachhaltige Erfolge. Das stärkt das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten“, beschreibt Projektleiterin Annekathrin Hinsche den therapeutischen Ansatz.
Nach langer Suche, eine geeignete Fläche zu finden, traf Sie erst im Vorstand der KGA Oberförsterwiese auf offene Ohren. Wenngleich verbunden mit einer gehörigen Portion Skepsis. Im Oktober 2019 wurde der Pachtvertrag unterschrieben.
„Meinem Großvater hätte dieses Projekt sicher sehr gefallen“, gratulierte Jürgen Naulin beim Festakt auf der Gemeinschaftsfläche der KGA Oberförsterwiese den frischgebackenen Preisträgern. „Zeitlebens hat er dafür gekämpft, dass das Soziale und das Grün zusammenfinden und einander dienen“, zeigte sich der Enkel des Stiftungsgebers, der im Kuratorium die Familie vertritt, bei der Übergabe der Wilhelm-Naulin-Plakette sehr zufrieden mit der Auswahl des diesjährigen Preisträgers.
Zuvor hatte der Vorsitzende des Kuratoriums Ralf-Jürgen Krüger in seiner Begrüßungsrede bereits angekündigt, dass künftig verstärkt soziale Projekte, die in Zusammenarbeit mit Kleingartenvereinen ins Leben gerufen werden, mit der höchsten Auszeichnung für das Kleingartenwesen in Berlin und Brandenburg geehrt werden sollen. „Als Kleingärtner wissen wir, wie über die Beschäftigung mit der Natur gesellschaftliche Schranken überwunden und abgerissen werden können“, begründete Krüger Aus diesem Grund habe das Kuratorium den Vorschlag des Landesverbands Brandenburg zur Auszeichnung des Sozialprojekts der AWO Potsdam gern aufgenommen.
Der Vorsitzende des Landesverbands Brandenburg der Gartenfreunde würdigte in seiner Laudatio das gemeinsame Engagement der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner im Verein Oberförsterwiese und aller Projektbeteiligten, zu denen neben Bewohnern und Sozialpädagogen auch zahlreiche freiwillige Helfer gehören. „Wenn Werte wie Gemeinschaft, Engagement, Solidarität vermittelt werden, dann ist das immer den handelnden Personen zu verdanken“, betonte Fred Schenk. „Die Auseinandersetzung mit Themen wie Natur und Umweltschutz, die aktive Betätigung im Kleingarten und die Beschäftigung mit Lebensmitteln und deren Gewinnung, aber auch das Erlebnis von Gemeinschaft und Zusammensein sind eine unbezahlbare Schule für das Leben“, sagte er.
Stellvertretend für die jungen Leute von W13, die den Trubel der Auszeichnungsveranstaltung gescheut hatten und nicht anwesend waren, und die vielen Beteiligten nahm Annekathrin Hinsche die Wilhelm-Naulin-Plakette und einen Scheck über 1000 Euro entgegen. „Diese Auszeichnung ist eine große Anerkennung für unsere Bewohner. Davon haben sie noch nicht so oft in ihrem Leben erhalten“, dankte die Leiterin des Gartenprojekts Ambulant Betreutes Gruppenwohnen der AWO Potsdam. „Sie ist Ausdruck dafür, dass auch wohnungslose Menschen wertvolle Fähigkeiten mitbringen, dass sie Teil der Gesellschaft sein wollen und es auch sind. Dafür möchte ich mich bei allen Menschen, die uns das ermöglicht haben, sehr herzlich bedanken.“
Auszug aus “Gartenfreund 09/23”, Elke Binas / Ralf-Jürgen Krüger